Dussehra in Pondicherry

Wie bereits erwähnt ist im Moment viel in der Dream School Foundation zu erledigen. Übernächstes Wochenende stehen viele Feiertage aufgrund des Lichterfestes an und die Schüler haben daher eine Woche Ferien, welche die DSF als Möglichkeit für ein Boot Camp nutzt. Dies bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler von 10-16 Uhr in den Centern Vormittags Science-Classes und Nachmittags „Graphic Design for Beginners“ besuchen können und sollen. Der Fokus liegt dabei darin, dass die Unterrichtseinheiten einen großen Anteil an aktivierenden Methoden, Experimenten und Erforschungscharakter aufweisen sollen. Zudem ist Sabu, der zweite Gründer der DSF zur Zeit in Bangalore und es wird mit Hochdruck an Materialien und Reports für die Investoren gearbeitet. Daher gab es erstmal nicht so viel von mir zu hören. Aber jetzt … 

 

Bevor Hannah, die 4. in unserer kleinen DSF-Familie, Dienstag Nacht in Bangalore angekommen ist, haben Sami, Benni und ich noch auf die Schnelle unser langes Wochenende genutzt. Am 29.09. und 30.09. war in Süd-Indien Dussehra und der darauffolgende Montag war aufgrund Ghandis Geburtstages ebenfalls ein Feiertag – also haben wir einen kleine, spontanen Trip nach Pondicherry im Bundesstaat Tamil Nadu unternommen. Am Donnerstag Abend um 23.00 Uhr ging es mit dem A/C Seater 7h lang nach Pondicherry. Wir waren völlig überrascht, dass der Bus pünktlich und an der richtigen Stelle hielt. Nachdem uns mehrere Menschen Glück gewünscht und uns gewarnt hatten ja in den richtigen Bus einzusteigen, konnten wir es eigentlich kaum fassen in den wirklich knapp 100 Bussen den Richtigen zu finden. Ca. 2h gingen erstmal drauf um aus Bangalore rauszukommen, denn die Inder sind ein sehr reisefreudiges Völkchen – insbesondere an Feiertagen. Die rumpelige Fahrt, begleitet von den fünf verschiedenen Hup-Tönen unseres Busses war leider weniger schlafreich und daher schlugen wir ziemlich k.o. am nächsten Morgen um 7 Uhr in Pondicherry auf. Völlig übermüdet und missgelaunt merkten wir direkt den Temperatur-Unterschied zu unserem hochgelegenen Bangalore – warme, feuchte Luft um 7 Uhr morgens und bereits um 10 Uhr gnadenlose Hitze von der Sonne. Nachdem wir ein kleines Nickerchen am Strand gemacht hatten, suchten wir unser Hostel. Die verwirrende Ortsangabe bei booking.com ließ uns dabei erstmal durch die Gegend irren, bis wir es endlich fanden. Das Personal schien ziemlich überrascht über uns „Foreigners“ und trotz der Sprachbarrieren schafften wir dann irgendwie den Check-In. Das Hostel war das Letzte verfügbare gewesen, daher waren unsere Ansprüche nicht allzu hoch und so war es mir auch egal, dass meine Laken mehr als dreckig, das Leitungswasser extrem stank und ich die einzige Frau in der Absteige war – schließlich hatte ich meinen Hüttenschlafsack, Trinkwasser und Ohropax dabei. Aus den Zimmern um mich herum roch es nach abgestandenen Alkohol, denn in Pondicherry ist der Alkohol um einiges günstiger. Nur leider vertragen die Inder auch nicht viel, weshalb wir am späteren Besuch des Paradise-Beach wirklich viele alkoholisierte Männergruppen am Strand vorfanden. Diese lagen dann zum Teil schlafend in der Brandung oder hangelten sich Händchen haltend durch die Wellen. Zum Einen lustig anzusehen zum Anderen verdeutlichten die zahlreichen Warnhinweise und Statistiken zu ertrunkenen Personen auch das die Mischung aus Alkohol und Nicht-Schwimmer keine gute Kombination ist. Uns war so warm, dass wir schließlich auch das erste Mal den indischen Ozean austesten mussten: Benni und Sami völlig normal in Badehose, ich hingegen in kurzer Hose und T-Shirt – ungewohnt und noch immer freizügiger als die Frauen in Saree ein paar Meter weiter. Wir schlenderten den Paradise-Beach entlang. Nach Paradise sah es hier allerdings leider nicht aus: ohne Ende Müll, tote Kugelfische und verlassene Gebäude. Schließlich bogen wir in ein kleines Fischerdorf ein in der Hoffnung auf eine Hauptstraße zu gelangen, doch weit gefehlt. Viel mehr führte uns der Weg vorbei an bunten Häusern, Frauen saßen zusammen, Kleinkinder rannten durch die Straßen, Kühe und Ziegen hier und da. Außerhalb der kleinen Dörfer dann die Palmenhütten und Wasserflächen – immer noch Sonne und keine Hauptstraße in Sicht. Dann hören wir hinter uns eine Hupe und ein älterer Mann mit Rikscha taucht auf, er will uns mitnehmen nach Pondicherry für einen viel zu günstigen Preis. Leider versteht er nicht wirklich wo wir hin müssen dabei ist der Bus Stand in Pondicherry wirklich der einzig große Busbahnhof. Aus den Palmenhaus kommen plötzlich knapp 10 Kinder, von denen ein Mädchen etwas Englisch spricht und der ältere Mann weist sie an zu übersetzen. Wir fahren also mit und die Kinder winken uns zur Verabschiedung zu. Während der Fahrt drückt mir der Fahrer dann sein Handy in die Hand – am anderen Ende ein junger Mann der zwar Englisch spricht ich aber dennoch nicht verstehe was er will: „Where are you? Where are you?“ Ich lege schließlich auf und wir hoffen einfach nur, dass er uns irgendwie nach Pondicherry bringt. Nachdem wir getankt haben, nochmals drei andere Rikscha-Fahrer nach der Richtung gefragt haben (wobei es nur gerade aus geht) kommen wir schließlich an. Am Abend schlendern wir durch das Tamil Quarter und enden schließlich am Strand der mit so unglaublich vielen Menschen gefüllt ist, die auf den Steinklippen sitzen und die kühle Brise genießen, über dem Meer entlädt sich ein Gewitter. Um ca. 22.30 sind dann die meisten Menschen auch wieder verschwunden und auch wir sehen lieber zu wieder in unsere Unterkunft zu kommen. 

 

Einigermaßen ausgeschlafen suchen wir am nächsten Morgen eine Möglichkeit zu frühstücken: natürlich indisch. In einem gegenüber liegenden Hotel gibt es Puree Masala, Idli und Dosa – für 110 Rupies ein absoluter Jackpot! An das herzhafte, ölige Frühstück habe ich mich mittlerweile gewöhnt – eine Art Pfannkuchen mit Kartoffelpüree/eintopf und Zwiebeln als erste Mahlzeit des Tages ist zwar immer noch viel aber lecker. Wir wollen uns den Mangroven-Wald in Pichavaram, ca. 1,5h entfernt von Pondicherry anschauen. Am Busbahnhof nehmen wir also einen Bus und fahren für 10 Rupies pro Person erst nach Cuddalore über Chidambaram nach Pichavaram. Insgesamt sind wir etwas mehr als 2h unterwegs, der Busfahrer fährt wie von der Tarantel gestochen und untermalt von indischer Pop-Musik kann ich die Augen vor lauter Fahrtwind kaum offen halten. Pichavaram ist ein winziges Dorf in dem eigentlich nicht viel los ist, außer des Bootanlegers an dem man in die Mangroven fahren kann. Natürlich hatten aufgrund des Feiertages nicht nur wir die Idee dort hin zu fahren – sondern zahlreiche Inder auch, weshalb die Reisebusse und Taxen bereits Meter entfernt des Anlegers stehen. Im Bootsanleger selbst herrschte Chaos und der Koordinator der Bootstouren war komplett überfordert. Daher warteten wir 1,5h darauf, dass endlich unsere Nummer in sein Heft eingetragen wurde und 10 Min. später saßen wir im Ruderboot – 1h Ruderboot ca. 1km – unserem Ruderer bot ich erstmal Wasser bei der unglaublichen Hitze an und so schlecht und abgemagert wie er aussah fühlte ich mich auch direkt schlecht ins Boot gestiegen zu sein. Unabhängig von seiner späteren Bitte nach etwas Geld, hatten wir uns eh schon überlegt ihm etwas zu geben. Der Mangrovenwald war der erste Ort an dem es endlich still und ruhig war – leider war die Fahrt viel zu kurz, aber dennoch war diese grüne Oase endlich etwas Müll- und Menschenfrei. Relativ spät erreichen wir wieder Pondicherry 

 

Am nächsten Tag machten wir uns mit dem Bus auf nach Auroville. Wer sich die offizielle Beschreibung dieser Utopie durchlesen möchte, schaue bitte auf: https://www.auroville.org/contents/95. Das hier ist meine Erfahrung: 

Auroville, the city of dawn, ist geplant als eine „Stadt“ in der eine neue Welt entstehen soll mit mehreren verschiedenen Zonen. Ausgelegt ist das Areal für 50.000 Menschen – wo und wann diese genau kommen sollen bleibt auch ein Wunschdenken. Unsere Reise in Auroville startet am Visitor-Centre und unser Weg führt uns zu den riesigen Meditationscentre. Wir waren doch ziemlich „impressed“ bei dieser goldenen Kugel, die fast ein bisschen aussah wie ein Ufo, durch die Krater ähnlichen Mauern unterstützt, wie ein Fremdkörper in der Landschaft empor stieg. Leider durfte man das Areal um die Meditationskugel nicht betreten, weshalb wir wie alle anderen Touristen nur aus der Ferne einen Blick darauf werfen konnten. Was uns aber eigentlich interessierte war die International Zone, in der die Citizens of Auroville leben sollen. Wenn es schon so ein riesiges Gelände ist, angeblich mit deutscher Bäckerei, Cafés und weiteren untypischen Örtlichkeiten wollten wir diese zumindest sehen. Leider konnte uns nur niemand genau sagen, wie wir in die internationale Zone gelangen würden, also gingen wir auf eigene Faust auf den roten, staubigen Sandwegen durch die Anlage. Lustig gemeinte Verkehrsschilder wie „Dinosaurs crossing!“ schienen das interessanteste an diesem Ort. An uns vorbei brausten überwiegend weiße, hagere Frauen 50+ auf Motorrädern, ohne Helm mit Yoga-Matten und Schlafsäcken auf dem Rücken. Der ganze Ort schien mir wirklich suspekt – bei brütender Hitze sahen wir das erste Haus: ein weißer, rechteckiger Komplex umgeben von Mauern – ziemlich abgeschottet. Und abgeschottet beschreibt auch mein Eindruck von ganz Auroville: meiner Meinung nach haben sich hier einfach Aussteiger, die das nötige Kleingeld besitzen einer Gemeinschaft, bzw. Sekte angeschlossen. Unter dem Deckmantel eine „bessere Welt“ zu sein, entziehen sie sich einfach der Verantwortung sich um die bereits existierende Welt zu kümmern. Sie leben hier ihr spirituelles Leben, beschäftigen laut Reiseführer wohl 4000 bis 5000 Menschen aus den umliegenden Dörfern aber wirken auf mich einfach weniger weltoffen als ihr Leitprinzip. 

Da wir bereits ca. 40 Minuten bei ca. 40 °C durch auf den Staubstraßen rumgelaufen sind brauchen wir eine Pause und etwas zu trinken. Also testen wir eines der vielen Cafés. Eigentlich ist es das Einzige, dass uns bisher begegnet ist. Wir kommen uns vor wie in einer anderen Welt: es gibt vegane Räuchertofu-Sandwiches, Rosmarin-Foccacia, Melonen-Feta-Salat, hausgemachte Gorgonzola-Gnoccis – hier sind eindeutig Europäer die tragende Kraft. Hinter uns am Tisch sitzt ein älteres Ehepaar, dass übertrieben gut gelaunt und komplett affektiert eine Unterhaltung mit einem älteren Herren über ihre Jugend hält. Ihr Akzent verrät, dass es Deutsche sind. Beim Gehen verabschiedet sie sich von mehreren anderen Tischen im Café – auch wieder ältere Frauen. In der Riksha zurück müssen Benni, Sami und ich uns alle einig, dass dieser Ort absolut seltsam und unrealistisch wirkt. Da wir noch immer total aufgeheizt von unserem Fußmarsch sind, wollen wir nachmittags nochmal an den Strand und ins Meer. Dieses Mal suchen wir uns den Serenity Beach aus. Und dort haben wir eine etwas unheimliche Begegnung. Bereits am ersten Abend hat ein Inder Benni und Sami angesprochen und sie hatten eine kleine Unterhaltung. Er wusste von unserem Vorhaben nach Auroville zu fahren und auf dem Rückweg hatte ich ihn bereits am Straßenrand stehen sehen, ich war leicht irritiert, jedoch sagte er, dass er dort in der Nähe wohnen würde. Das er unseren Riksha-Fahrer noch anhalten wollte war auch bereits seltsam aber wir fuhren einfach davon. Am Abend, nachdem wir kurz im Hostel waren, gingen wir also mehrere Meter am Strand entlang, suchten uns eine Stelle und gingen ins Meer: wer taucht nach ca. 5 Minuten direkt neben uns auf? Der strange Typ! Und was macht er? Will genau neben uns Schwimmen gehen: langsam glaube ich nicht mehr an Zufälle, sondern eher, dass wir gestalked werden. Zum Glück spricht er nicht wirklich viel mit mir sondern nur mit den Jungs, allerdings geben diese manchmal viel zu viel Preis, meiner Meinung nach. Er erzählt ihnen, dass er Astrologe im Sinne eines Wahrsagers sei, er wird mir immer unsympathischer. Nachdem wir ihn dann weiter ignorieren zieht er schließlich von dannen. Auf unserem Rückweg sehen wir ihn dann mit mehreren Weißen nur wenige Minuten wieder – es lässt sich also ein Muster erkennen. Am Abend sind wir mit Sophie und Luisa verabredet, andere Freiwillige, die per Couch-Surfing bei einem Bewohner Aurovilles untergekommen sind und gehen mit ihnen auf ein Food-Festival. Sie sind völlig begeistert von ihrer Unterkunft mit Pool usw. mein Bild über Auroville verfestigt sich nur. 

 

Am nächsten Morgen geht es dann auch schon wieder zurück nach Bangalore: dieses Mal im Sleeper – nichts für schwache Mägen würde ich sagen. Im liegen zu fahren ist zwar entspannter, aber die Eisenstangen an den Seiten haben auch ihren Zweck. Die Straße und Fahrweise des Busfahrers sind so dermaßen unkontrollierbar, dass man ganz schön durch die Gegend geschleudert wird. Das alles ist jedoch zu entschuldigen für den Ausblick der sich aus dem Bus bietet. Eigentlich müssen die Vorhänge geschlossen bleiben, aber ich kleiner Rebell habe darauf natürlich keine Lust, soll ich mir etwa den ganzen Blick auf Reisfelder, Berge und Dörfer nehmen lassen?! Als ich denke, dass wir bereits in Bangalore sein sollten brauchen wir für die letzten 20km noch eine halbe Ewigkeit, da wieder so viel Verkehr ist. Irgendwie vermisse ich schon wieder die kleinen Dörfer und Reisfelder, aber denke auch: „Willkommen Zuhause“ – denn Bangalore ist nunmal die Base. Die Nacht verbringe ich bei den Jungs in RT Nagar, da ich nicht mehr in meine Unterkunft in Malleshwaram kann. Grund dafür ist, dass die Mitteilung, dass die Freiwilligen in ein Apartment ziehen werden meine Gastfamilie so sehr schockiert und in Rage gebracht hat, dass meine Chefin, Kollegin und Lea meine Sachen packen mussten und ich quasi „rausgeschmissen“ wurde. Diese Nachricht erhielt ich bereits auf der Hinfahrt zur Busstation. Aber zum Glück habe ich eine so tolle Chefin und Sharmeela denen ich vollstens vertraue. Ehrlich gesagt war ich ziemlich glücklich nicht mehr in die Wohnung zu müssen, da ein Wiedersehen wohl noch seltsamer gewesen wäre. Aber nun sind wir alle zusammen in unserem noch leeren Apartment in Gokula und ich bin gespannt wie sich das WG-Leben entwickeln wird. 

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